Von Hans Sturm
Gespannt sind wir, was uns wohl mit der „Johann Smidt“ erwartet. Das Segelschiff, auf dem wir als Mitsegler angeheuert haben, ist ein relativ moderner 2-Mast-Gaffelschoner oder auch Topsegelschoner und liegt im alten Hafen von Flensburg. Die alten Schiffskarakterisierungen treffen dieses Schiff nur ungenau. Es ist eines von 5 Traditionsschiffen der Reederei „CLIPPER DJS e.V. Mit mir fährt mein alter Segelkamerad und Freund Sepp Fuchs, mit dem ich schon einige Seemeilen abgefahren habe. Ein bisschen abenteuerlich ist diese Reise schon. Keiner weiß genau, auf was er sich da einlässt. Der Skipper weiß nichts über die Crew, der er sein Schiff überlässt und die Crew weiß nichts über den „Skip“. Vom Schiff kennen wir bis jetzt nur einige unscharfe kleine Foto aus dem Internet mit einem kurzen Text dazu: Danach ist es ein wunderschönes Schiff, schlank und schnittig. „Warten wir lieber ab, und beurteilen das Ding besser aus der Nähe. Wir werden sehen, wie es „beinander“ ist. Noch haben wir zwei Bayern 8 Stunden Zugfahrt vor uns.
Jetzt ist es 0800 Uhr morgens. 1 ½ Stunden Verspätung hat der Zug inzwischen. Immer wieder hält er mitten in der sattgrünen Schleswig-Holsteinischen Prärie, wir sollten schon lang da sein. Jemand tippt mir auf die Schulter „wolltet ihr nicht in Flensburg aussteigen, ihr seid da?“ Sepp und ich drehen uns erschrocken um und sehen aus dem gegenüberliegen Zugfenster den Bahnhof Flensburg. Wir reißen unsere Seesäcke runter vom Gepäcknetz und stürmen zur Zugtüre. Draußen pfeift der Zugbegleiter den Zug schon wieder ab. Wir werfen unsere Seesäcke hinaus und springen aus dem anfahrenden Zug. Grade noch mal gut gegangen. Auf unserer Zugfensterseite war stets nur grüne Landschaft. Auch gab es nicht den geringsten Hinweis, dass wir uns in einer Stadt befinden. Im Nachtzug gibt’s auch keine Durchsagen, um die anderen schlafenden Reisenden nicht zu wecken. Noch ein wenig geschockt lassen wir unser Gepäck im Schließfach des Bahnhofs zurück. Der erste Weg führt uns, wohin wohl, natürlich zum Hafen. Und da liegt sie schon.
Erstmals sehen wir die „Johann Smidt“ in Natura aus der Nähe. Sie ist wirklich eine Schönheit. An Deck wuselt die alte Crew beim „Klar Schiff machen“ herum. Wir beschließen, erst mal ein schönes Frühstück in einem Cafe in der Stadt einzunehmen und erst wieder zurück zu kommen, wenn „Klar Schiff“ anliegt. So gegen 10 schauen wir nach, wie weit die Sache schon gediehen ist. „Klar Schiff“ ist offensichtlich längst vorbei. Wir gehen eilig zurück zum Bahnhof, holen unsere Gepäck aus den Schließfächern und fahren mit dem Taxi zurück zur „Johann Smith“. Der Taxifahrer hat unseren Seesäcken wohl angesehen, wohin wir wollen. Er fragt nur: „welches Schiff ?“. An der Pier steht ein Lkw. Die neue Crew reicht in einer Kette Proviant von Hand zu Hand hinüber auf Schiff. Wir reihen uns ein in die Kette. Eine langbeinige Blondine stellt sich uns vor: „Ich bin Antje, 3ter Steuermann(frau), und wer seid Ihr?“. Ihr Ton lässt mich innerlich ein wenig stramm stehen. Sie hakt uns auf ihrer Liste ab und weist uns unsere Kojen zu. Sepp (hier in Norddeutschland heißt er Josef) kommt in den Pumakäfig. So nennt sie die Kabine im Vorschiff. Mir weist sie eine Koje in einer 4er Kabine von etwa 6qm mehr mittschiffs an Bb zu. 3 der 4 Kojen darin sind schon belegt. Die Kameraden haben die Spinde schon in Beschlag genommen. Ich teile die ohnehin winzige Koje mit meinen Seesack. Bin ich da, muss er raus, bin ich nicht da, darf er rein. Noch weiß ich nicht, wer meine Mitbewohner sind. Um 1430 ruft der Kapitän „all hands in die Messe“ „Nicht schlecht“ denke ich mir, „Unser Skipper ist also ein Kapitän“.
Er stellt sich vor, dann seine 3 Steuermänner, dann Antje, die Steuermannsanwärterin die wir als einzige schon kennen, den Maschinisten, und 2 Köche. Dann dürfen wir uns einzeln den anderen vorstellen.
Der Kapitän macht die obligatorische Sicherheitsbelehrung. Er teilt uns, die 30 Deckshände in 3 Wachen ein, und in die Backschaften die nur täglich wechseln. Die Jugendlichen und die erfahreneren Älteren sind in den Wachen gleichmäßig verteilt. Unsere erste Wache beginnt heute um 1800, endet 2100 Uhr.
1500 Uhr, wir laufen aus, Wind fast null, motoren aus dem Flensburger Hafen hinaus in die Förde. Unser Anker fällt bereits 14sm später in einer Bucht am Ausgang der Flensburger Förde. Die Förde hat etwa die Größe und Figur unseres bayerischen Ammersees. Abendbrot ist täglich um 1800. Da gleichzeitig Wachwechsel ist, speist die neue Wache ½ Stund früher. Das sind jetzt erst einmal wir. Unter den 3 Wachen stellt sich langsam Mannschaftsgeist ein. 2200 Uhr Sonnenuntergang, die Ostsee liegt bei nahezu Windstille so glatt drin wie Salatöl. „Das kann ja heiter werden, wenn aus mit dem kläglichen Lüfterl nicht mehr werden sollte“.
11.07.2010, früh, 0530, Aufstehen, Koch wecken, Backschafter wecken, 0600 Ankerwache übernehmen. Die Pflichten der Ankerwache sind: Ankerpeilungen nehmen, das ist mit dem GPS einfach, dann Luft- Wassertemperatur und Luftdruck nehmen, alles stündlich in eine Kladde eintragen. Es weht für die frühe Morgenstunde ein angenehm warmer Westwind um 3-4 Bf mit netten Schaumkrönchen auf dem Wasser. 0800 Frühstück, einige Kids erscheinen nicht und müssen noch mal geweckt werden. Nach dem Frühstück, Ansprache des Kapitäns: Er will zu unserem Reiseziel, der Stadt Koege nicht die südliche Route durch den Fehmarnbelt nehmen, sondern die nördliche Route durch den kleinen Belt, dann Fyn und Sjaelland nördlich passieren und durch den Öresund nach Süden hin Koege erreichen. Das sei zwar ein gutes Stück weiter als durch die dänische Südsee, aber die Windprognosen sprächen dafür.
Die zweite Wache holt den Anker auf unter Großsegel und Maschine. Schon während der Rudergänger die „Johann Smidt“ auf einen Halbwindkurs bringt, wird das Schonersegel, dann die Baumfock und zuletzt ein gigantisch großes Klüversegel gesetzt. Kaum sind die Segel oben und getrimmt, kommt das Kommando „Klar zum Halsen, All Hands“ „Wenn das bloß gut geht“ denk ich mir. „Wir sind doch alle noch viel zu wenig vertraut mit diesem Schiff, um alle 4 Segel inclusive der 4 Backstagen und der Bullen für die 3 Bäume gleichzeitig zu halsen“.
Die Steuerleute erklären aber jedem einzelnen, was und in welcher Reihenfolge er zu tun hat, und auf was er alles achten muss. Das Kommando „Rund achtern“ kommt. Wir halsen das Schiff langsam und behutsam. Es geht also doch, wenn auch nicht ganz sauber. Wieder mache ich die Erfahrung: Auf Großseglern läuft einiges anders. Es geht nicht um Schnelligkeit und Präzision der Manöver, so wie es unter uns Regatta- und Sportseglern üblich ist, sondern nur und ausschließlich um die Sicherheit des Schiffs und der Crew.
1000 Uhr kommt das Kommando „ Besanschot an“. Ich glaub, ich mach ein dummes, ratloses Gesicht, denn Fritz, der 1.O. sagt zu mir „ Der Kapitän wird’s dir gleich erklären, was das bedeutet“. Wir werden alle nach achtern beordert zur Ansprache des Kapitäns:
„Ein Schoner wie die „Johann Smidt“ hat natürlich weder Besan noch Besanschot“, so sagt er. „Aber der Besan ist der hintere Mast auf vielen anderen Segelschiffen. Die Segel des Besan werden immer als letzte auf einen neuen Kurs getrimmt. Ist dies erledigt, ist die Seemannsarbeit zunächst getan. Melden die Seeleute dem Kapitän das erste Mal auf einer Reise „Besanschot liegt an“ dann bedeutet das, das er den „Rum“ ausgeben möge und das mache ich hiermit“
Er öffnet eine große Flasche Sherry, breitet die Arme aus, hebt die Flasche feierlich wie ein Priester in den Wind und spricht:
„Rasmus, altes Rübenschwein, schenk uns Wind und Sonnenschein nicht zu wenig, nicht zu viel, weit ist unser Ziel.
Wir steuern West, wir steuern Ost. Nun lasst uns einen trinken,
Prost“
Dann gießt er einen Teil des guten Sherry in die Ostsee. Er trinkt als Erster. Danach reicht die Crew die Flasche durch, einer nach dem Andern trinkt.
1100 Uhr, der Wind verlässt uns wieder. Vielleicht war der Schluck für Rasmus zu knauserig bemessen. Langsam driften wir quer auf die dänische Küste zu. Wir hängen mitten im ausgetonnten Fahrwasser zwischen der Flensburger Förde und der Geltinger Bucht. Den Kapitän lässt das offensichtlich kalt, denn er zieht sich in seine Kammer zurück für seinen Bürokram, wie er sagt, nimmt aber den Rest Sherry mit, der noch in der Flasche ist.
1230 Uhr, Wir laufen unter Maschine an der Geltinger Bucht vorbei hinaus in die Ostsee. Endlich sieht man den wahren Horizont ohne Landbegrenzung. Das Klüversegel ist geborgen, Fock Schoner und Groß stehen dicht geschotet, flappen ein wenig im Fahrtwind. Das nennt man hier „Dänisch Segeln“. gemeint ist damit, mit dichten Schoten und Maschine am Wind zu kneifen.
Ich finde mein altes Notizbuch im Seesack und beschließe, ab jetzt das bisher erlebte und jeden weiteren Schmarrn aufzuschreiben, der mir nur in den Sinn kommt. Schon geht´s los:
Warum machen wir diese Reise? Was bewegt den segelnden Menschen überhaupt zu seinem nostalgischen Tun, frage ich mich? Auf harten Bänken sitzen und an Strippen ziehen? Ich versuch mal eine Erklärung: Da sind zunächst verschiedene Arten des sportlichen Segelns. Die einen, die Binnensegler ziehen so oft es geht an einen See, segeln mit ihren Booten spazieren, oder von einem Biergarten zum andern (nur möglich an bayerischen Seen), oder genießen die Natur und das lautlose dahin Gleiten, beteiligen sich auch mal an einer Regatta. Andere tun sich im Urlaub zusammen, mieten sich eine seegehende Yacht und segeln dann irgendwo an einer Küste entlang von Hafen zu Hafen. Die dritte Kategorie der Segler sind diejenigen, die auf einem Schiff nur eine Koje chartern. Das sind diejenigen, die mit einem fremden Schiff und mit fremden Leuten immer wieder neue Gewässer besegeln, so wie wir jetzt.
Ein Schiff von A nach B zu bringen, das ist die schlichte Grundform der Seefahrt. Ganz grob vereinfacht gesagt, würde es heutzutage genügen, den Fahrhebel der Maschine nach vorn zu drücken und auf das Ziel zuzuhalten. Ein Segelschiff hat aber – so wie der Radfahrer auch – und wie´s der Teufel will, fast immer den Wind direkt von vorn auf die Nase. Ein Segelschiff muss sich also seinem Ziel auf Umwegen nähern und das auch noch mit der Hilfe des Windes und nicht gegen ihn. Weht er zu schwach, hat er nicht genügend Kraft für ein Segelschiff. Das Schiff steht dann zwar prächtig da in seiner vollen Segelgarderobe, aber die Betonung liegt dann mehr auf „steht“. Weht der Wind dagegen stärker, erregt sich darüber das Wasser und wird recht bockig.
Man sagt, das Bedienen eines Segelschiffes sei ein anspruchsvoller Sport. Nun ja, zugegeben, es war ja früher ein Beruf. Auch heute noch verlangt jedes einzelne Manöver einen exakt genauen Ablauf aller notwendigen Handgriffe von der Crew, die stets miteinander koordiniert sein müssen, eben ein echter Mannschaftssport. Selbstverständlich muss jeder wissen, was er zu tun hat.
Sportsegler und davon besonders die Kojencharterer sind in der Regel recht anspruchslos. Es macht ihnen nichts aus, wochenlang mit wildfremden Menschen auf engstem Raum zusammenzuleben, in übereinander liegenden, engen und manchmal auch feuchten Kojen zu schlafen, die aussehen wie die Fächer eines schwankenden großen Bücherregals. Zum Beispiel unsere Viererkabine, wie sie meistens vorkommt, bietet grade mal einen einzigen Stehplatz zum Umkleiden, zwei Spinde und zweimal zwei übereinander liegende Kojen. Während sich der eine an- oder umzieht, müssen die anderen sich in die Koje verdrücken oder die Kabine verlassen, so eng geht’s da zu. Dieser Typ Segler begnügt sich während der Reise mit einem Minimum an Körperhygiene und einer wenig genussvollen Nahrungsaufnahme. Die Hauptsache ist, sich nur mit der Kraft des Windes optimal fortzubewegen, und natürlich die See zu erleben. Er geniest die gute Luft, das ständige Schaukeln und alle die Dinge, die schon so oft schwärmerisch über die Seefahrt geschrieben wurden.
11.07.2010, 1300 Uhr, Der Wind hat etwas aufgebrist und es reicht wieder aus zum Segeln. Das Schonertopsegel soll gesetzt werden. Ich muss unbedingt sehen, wie man das macht: Fall und Niederholer sind ein einziges Ende, nur umgelenkt durch einen Block am Top des Schonermasts. Das Topsegel wird immer in Lee des Gaffelsegels gesetzt. Dazu wird der leewärtige Tampen der schon erwähnten Fall-Niederholer-Kombi-Leine and den Kopf des Segels mit einem Gordingstek angebunden, der ist nicht so lang wie ein Palstek und erlaubt damit, dass das Segel wirklich bis in den Masttop gehisst werden kann. Der Hals des Topsegels wird mit dem anderen, dem luvwärtigen Tampen der Fall-Niederholer-Leine ebenfalls mit Gordingstek angebunden. Auch das Schothorn bekommt aus Platzgründen den Gording mit der Schot. Die Schot ist in der Piek des Gaffelbaums umgelenkt, läuft am Gaffelbaum entlang, dann herunter auf die Nagelbank zum Mastfuß. Für das Vorliek des Segels gibt es 2 extra dafür direkt am Mast entlang gespannte Stage. In das jeweils leewärtige Stag hakt man die Stagreiter des Topsegels ein. Die Mannschaft meldet jetzt „Topsegel ist klar zum Setzen“. Der wachhabende Steuermann antwortet sofort mit dem Kommando „Heiß auf Topsegel“. Der leewärtige Mann heißt das Fall auf, der luvwärtige Mann fiert sinnig dazu den Niederholer. Der dritte Mann holt sinnig mit dem Fallmann die Schot. Als erstes wird das Fall so weit dicht geholt, bis der Gordingstek satt am Umlenkblock im Masttop anliegt. Als zweites muss die Schot knalldicht geholt werden, denn das Topsegel braucht ja idealerweise den gleichen Anstellwinkel zum scheinbaren Wind wie der obere Teil des Schonergaffelsegels. Sind Fall und Schot hart durchgesetzt und belegt, wird mit dem Niederholer das Vorliek stramm gezogen, damit bekommt das Segel erst eine aerodynamische scharfe Anschnittkante. Jetzt ist das Topsegel oben und fertig getrimmt. Bei einer Wende oder Halse muss das Topsegel niedergeholt werden und auf der künftigen, neuen Leeseite wieder gesetzt werden. Das ganze Geschäft lohnt sich also nur auf langen Schlägen.
1900 Uhr, „all hands“ zum Segelbergen; Am Schonersegel und am Groß sind – Gott sei Dank „Lazy Jacks“ – geschoren, die das Geschäft erheblich erleichtern. Unter Motor laufen wir unseren Sonntagabend Ankerplatz an. Der Haken fällt in einer kleinen Bucht. 55°57,97N und 010°11,96 E. Noch einmal erleben wir einen wunderschönen Sonnenuntergang, fast kitschig. Bis 2330 bleiben wir an Deck Ein paar Pils weniger sind jetzt im Kühlschrank.
12.07.2010, 0545 Uhr, Ich werde aus tiefem Schlaf gerissen „Hans wach auf, du bist heute einer der Backschafter“ Die Ansage wiederholt sich mehrmals, bis ich merke, dass jemand an meiner Koje steht und auf mich einredet. Ich schleppe mich zum Waschbecken. Nach reichlich kaltem Wasser kehre ich zurück ins Leben. In der Kombüse erwartet man mich schon. Hungrige Mäuler möchten ab 0730 ihr Frühstück. Erst gegen 0900 nehmen wir Backschafter zusammen mit den Köchen unser Frühstück. In der Zwischenzeit hat die diensthabende Wache schon längst den Anker gelichtet, und die Segel gesetzt. Die „Jonny“ gleitet sanft durch eine leichte Halbwindbrise. Von alledem hab ich unten in der Messe und der Kombüse bisher nichts bemerkt. Auf einmal wird’s oben unruhig. Ich höre die Kommandos, wie sie das Schiff wenden, ich höre die Winschen und ich höre die Backstagspanner in ihre Halter einrasten. Die „Jonny“ (so nennen wir die „Johann Smidt“ an Bord) legt sich ein wenig auf die Seite und beschleunigt spürbar. Durchs Bullauge der Kombüse sehe ich das Wasser vorbeifliegen. 10 Minuten später ist der „Windbeutel“ durch. Die Atmosphäre beruhigt sich wieder, mit ihr das Schiff. Es fällt in seine gemütliche Gangart zurück. Als Backschafter muss ich die Messe aufräumen, Tische abwischen, Geschirr abtrocknen.
1630 Uhr; Wir laufen durch ausgetonntes Fahrwasser auf eine Engstelle in der Einfahrt zum Ärösund zu. Der Wind steht uns zunächst frontal auf der Nase. Die Segel sind geborgen, dann der ist Wind vollends eingeschlafen, zwischen den Untiefen wird’s immer enger für unsere „Jonny“. Dann sind wir endlich durch.
1700 Unser Anker fällt südlich vor der kleinen Insel Bransö. Immer noch Windstille; dunkle Wolken stehen aber am Horizont. 1800; Gewitter, Wind um 7 Bf, das Wasser schäumt vor Wut ob des wilden Windes. Die „Jonny“ zerrt wild an ihrem Anker. So schnell das Gewitter gekommen ist, so schnell war’s auch wieder weg.
Am Abend wollen die Kids mit der Gummisau, so nennen sie das Schlauchboot hinüber zur Insel fahren. Mit dem Ladebaum wird es abgefiert. Der Außenborder will einfach nicht – ohne Sprit laufen. Erst als man ihm den Spritschlauch richtig einrastet, macht er mit. Es steht noch der alte Seegang vom Gewitter vorhin, drum wird die Überfahrt wohl ziemlich nass werden. Sogar der Kapitän fährt mit. Er hält sich aber an der Vorleine und breitbeinig aufrecht stehend trocken. Nach einer Stunde sind alle wieder da. Was habt ihr da drüben gesehen fragen wir, die Zurückgebliebenen die durchnässten Ankömmlinge: „Eigentlich nichts, die Bewohner haben alle die Insel verlassen, nachdem sie zuerst ihre Christbaumplantage mit zuviel und falschen Spritzmittel ruiniert hatten. Danach war auch das Brunnenwasser nicht mehr zu trinken“.
Josef und Fritz, der 1.O. gehen die Ankerwache bis 2400. Einige spielen Karten in der Messe. 1800 Uhr, Ich begebe mich aufs Achterdeck zur immer gleichen Wachübergabezeremonie. Die wichtigen Informationen werden ausgetauscht, dann spricht die alte Wache im Chor „Die abziehende Wache wünscht der aufziehenden Wache eine gute Wache“ Die neue Wache antwortet wieder im Chor „Die aufziehende Wache wünscht der abziehenden Wache eine gute Ruhe„. Von 1900 bis 1930 Uhr stehe ich wieder mal am Ruder. Gesteuert wird nach Kompass, denn Landsicht haben wir inzwischen nicht mehr. Zuerst fahre ich die „Jonny“ wie ein besoffener Kieskutscher in Schlangenlinien, wir gewöhnen uns aber schnell aneinander. Die „Jonny“ wiegt gern ihr Heck in den von achtern auflaufenden Wellen hin und her, aber ich möchte dagegen einen geraden Strich fahren. Nach einer Weile verzichtet sie auf die ganz großen Schwünge und folgt brav meinen Ruderausschlägen, wenn auch nur zögerlich. Ich bin dankbar für die Ablösung. Um so ein großes Schiff auf Kurs zu halten, braucht´s ununterbrochene größte Aufmerksamkeit, das ist schon eine mentale Anstrengung. Die nächste Wache löst uns um 2100 ab. Sollkurs, Position, zurückgelegte Wegpunkte übergeben wir dem Navigator der neuen Wache. Zeremonie. Jetzt sind wir dran mit dem „Feierabendbier“. Es bleiben mir 7 Stunden Zeit bis zu meiner nächsten Wache.
Auch ein Haustier ist mit an Bord. Es ist die Stubenfliege Johanna. Sie wohnt bei uns in der Kammer zusammen mit uns 4 Männern. Ich glaub, sie mag mich besonders. Wenn ich mich schlafen lege, kommt sie zu mir und will mit mir Fangen spielen, so genau weiß ich das nicht. Sie setzt sich frech auf meine Stirn, auf meinen Bauch, auf meine Glatze, sie kennt einfach die besten Landeplätze. Das Biest ist fast wie ein richtiges kleines Kampfflugzeug. Man könnte ihre technischen Daten wie folgt auflisten: Typ Senkrechtstarter, Schwenkflügler (so wie unser Eurofighter), Steuerung und Antrieb nur durch die Schwenkflügel, kunstflugtauglich, Gesamtgewicht mit Betankung etwa 10mg, Gesamtlänge 6mm, max. Flügelspannweite 5mm, Bewaffnung: chemisch-biologische Kampfführung durch Absetzen von Keimen und Pilzsporen; besonderes Merkmal: 6-beiniges Landegestell mit Saugnäpfen an den Enden, es wird im Flugzustand beigeklappt. Mit ihnen ist es in der Lage, das Kampfgebiet zu Fuß zu inspizieren, auch besteht die Fähigkeit aus dem Rückenflug heraus an der Decke zu landen. Wie gesagt, sie wohnt bei uns. Ich öffne zwar immer gern die Tür, sobald sie startet, dann fliegt sie kurz hinüber in die Kombüse, vielleicht um zu tanken, aber sie ist dann auch gleich wieder da. Heute folgte sie mir bis in die Messe. Sie fiel im Kampf durch die Hand eines Mitseglers.
13.07.2010, 0700 Aufstehen, 0730 Frühstück, 0800 Wache antreten, komme zu spät zur Zeremonie, ernte einen strengen Blick von Antje, werde eingeteilt als Ausguck, schnappe mir das Fernglas und beziehe meinen Posten vorn im Bugkorb. Gerd, der Kapitän und Fritz der 1.O. haben schon gestern Abend die heutigen Sollkurse und Wegpunkte abgesteckt. Es geht weiter durch ein enges spärlich betonntes Fahrwasser um einige kleine Inseln herum. Wir segeln raumschots und müssen ständig hin und her halsen. Ein Wegerechtshalter kreuzt direkt vor unserem Bug vorbei und beklagt sich über Funk über uns. Ich, der Ausguck hatte ihn nicht rechtzeitig der Brücke gemeldet. Nehme noch mal zerknirscht den Anschiß von Antje entgegen. Mittags legen wir im Hafen der Kleinstadt Middelfart an.
Wir liegen längsseits an Stb, mit 2 Vorleinen, der Vor-und Achterspring und einer Achterleine fest. Sepp, Wolfgang und ich schauen uns die Stadt an, genehmigen uns in einer Bar je ein paar dänische Biere. 1500 Uhr, der Kapitän lässt uns noch an der Pier liegend die Segel setzen. Er legt das Schiff ab, ohne Motor, nur mit den Segeln, nur mit seinen präzisen Kommandos. Ich bin platt vor Respekt und Anerkennung vor dieser seemännischen Meisterleistung. Mittlerweile hat er ja auch eine halbwegs brauchbare Crew. Wir segeln weiter durch den kleinen Belt raumschots Halse um Halse. Zu unserer Erleichterung und zur besseren Manövrierbarkeit bleiben das Schonersegel und die Baumfock unten. Nur Groß und Klüver reichen für 4-5 kt Fahrt bei nur 3Bf. Nach dem Mittagessen lasse ich mir vom Chief die Maschine zeigen. Hauptmaschine ist ein 12 Zylinder V-Motor mit 400 PS, Dazu kommen der Stromgenerator, diverse Pumpen für Frischwasser, Abwasser, Kühlwasser, Diesel, Hydraulik, Ölkühler, Dieseltanks, Wassertanks, Schaltkästen für die ganze Elektronik, Handschaltung für Getriebe und Hauptmaschine, falls mal die Steuerung ausfallen sollte. Obwohl die Hauptmaschine grade nicht läuft, ist es im Maschinenraum brutal heiß. Die Luft ist gesättigt mit Öldampf. Wieder draußen genieße ich die frische Seeluft.
1600 Uhr, es brist auf zu 4 Bf, schönster Segelwind, Sonnenschein, Die „Johann Smidt“ rauscht unter Vollzeug dahin. Die dänische Landschaft zieht links und rechts des kleinen Belt vorbei. „Seglerherz, was willst du mehr“. Die Freiwache, also auch ich sitzt im „Wintergarten“ beim Kartenspiel oder bei Kaffee und Kuchen. Der „Wintergarten“ manchmal auch Seegarten genannt, ist so einen Art überdachte windgeschützte Veranda hinter dem Steuerhaus.
Eigentlich wäre ich ja zufrieden gewesen mit einfachster Nahrungsaufnahme, wie es auf einem Segelschiff meist nicht besser geht. Aber hier auf der „Johann Smidt“ ist das Essen vorzüglich. Tag und Nacht liefert ein Generator Strom für die Kühlung, den Herd, die Kaffeemaschinen. Die Köche Peter und Susanne sind den ganzen Tag in ihrer grade mal 9 qm kleinen Kombüse am Arbeiten. Sie ist eigentlich Dipl. Chemikerin und gibt Physik und Chemie an einem Gymnasium, Peter ist Küchenmeister – in der Tat.
14.07.2010, 03:30 Uhr, Aufstehen, 0400 Wachantritt. Ich übernehme die Navigation im Steuerhaus. Das Wort Navigation ist etwas übertrieben, genaugenommen übertrage ich nur die GPS-Daten regelmäßig in die Seekarte Eine Tasse Kaffee, ein süßer Riegel als Energiespender und ein Apfel genügen. Wir sind jetzt nordwestlich Fünen in der Nähe der Stadt Fredericia. Eine winzige Raumschotbrise hält uns grade noch steuerfähig bei 1,5 Knötchen. Bei Sonnenaufgang setze ich – wie es sich gehört – die dänische Nationalflagge in die hohe Stb-Saling des Schonermasts, die Flagge der Clipper-Reederei in die etwas niedrigere Stb-Saling des Großmasts und die deutsche Nationale auf den Flaggenstock am Heck. Der Klüver zieht nicht richtig. Er fällt in der Abdeckung des Großsegels immer wieder ein. Wir können aber jetzt weder anluven noch halsen. An Bb liegt eine Untiefe, die es zu umfahren gilt, und an Stb ist die Westküste Fünens nur wenige 100 m entfernt. Also dümpeln wir uns weiter durch diesen Trichter. Nachdem wir die Untiefentonne endlich achteraus haben, luven wir an und geben dem Klüver endlich die Luft, die er braucht. Sofort steigt unsere Geschwindigkeit auf „gigantische“ 3kt. Man muss eben bescheiden sein und sich mit dem begnügen, was die Natur gibt. Um 0800 ist endlich Wachwechsel und wir können Frühstücken. Ich war schon lange nicht mehr so hungrig und ausgekühlt, wie an diesem Morgen. Ich falle in meine Koje.
1100 Uhr, an Deck wird rumgetrappelt. Ich höre die Winschen klicken und das leise aber harte Knacken, das die Schoten unter starkem Zug erzeugen. Es hält mich nicht mehr im Bett. Ich muss sehen, was da los ist: Die „Jonny“ liegt Bb auf der Seite und brettert mit 6kt hart am Wind durch die See dahin. 1130 Uhr. Der große Halbwinder-Klüver wird ersetzt durch den mittelgroßen Klüver. Es weht inzwischen mit 6Bf. Die Ostsee schäumt. (Bei dem geringen Salzgehalt der Ostsee ist das schon beachtlich) Der Wetterbericht meldet Sturm 7-8 Bf für unser Seegebiet. Noch scheint die Sonne aus blauem Himmel und alle genießen den schönen Segeltag und die rauschende Fahrt durchs Wasser.
1430 Uhr, wir wenden. Das Manöver läuft perfekt ab. Die „Jonny“ läuft weich durch die schon aufgeregte See. Fast ohne Stampfen und Rollen schneidet sie elegant durch die Wellen. Die Drift ist mit 15° aber beachtlich und wir machen nur 35° über Grund gegenan.
Um 1500 ist unser Wache wieder dran, das Schiff zu übernehmen. Wieder bin ich im Steuerhaus. Ich hab unsere Positionen und Kurse zu verfolgen und halbstündlich in die Seekarte einzutragen. Selbstverständlich gibt es auch elektronische Navigationsgeräte: wie den Kartenplotter, den AIS-Plotter, Radar und den Kreiselkompass, der den Kurs sogar in zehntel Grade anzeigt. Für die Kommunikation stehen UKW- Funk mit DSC- Controller und Navtex zur Verfügung. Viele weitere Geräte sind mir fremd.
1600 Uhr, der Wind lässt abrupt nach, wir machen nur noch 2kt. Am -Wind-kurs ist nicht mehr zu halten. Vom angekündigten Sturm ist nichts zu merken. Auch das Barometer steht seit Stunden konstant auf 1010 hP. Der Kapitän bespricht sich mit seinen Steuerleuten. Wir stehen auf Pos. 56°06,8N, 011°03,0 E., also nördlich von Sjaelland am nördlichen Eingang zum Großen Belt. Fahren wir diesen Kurs weiter, kommen wir unserem Tagesziel keinen Schritt näher, wenden wir, dann steht uns spätestens in einer Stunde eine große Sandbank im Weg, um die wir herumkreuzen müssen.
1700 Uhr, der Kapitän lässt wenden. Am Horizont sehen wir ein großes Segelschiff durchs Fernglas, das offensichtlich den großen Belt ansteuert. Das AIS identifiziert die Gorch Fock, das Schulschiff der Bundesmarine. Auf einmal nimmt der Wind wieder zu auf 4Bf, aber nach etwa ½ Stunde ist dieser Windpuffer leider wieder durch. Die Ostsee ist offenbar ein launisches aber dennoch liebes Luder. Dazu fällt mir Josef Conrad ein, wie er die See beschrieb: „Mal schläft sie scheinbar, dann liegt sie ruhig da. Ihr Atem (er meint den Wind) geht weich und sanft. Wenn sie dann erwacht, dann lächelt sie gewissermaßen. Sie legt ihr Gesicht in leichte Wellen und Fältchen. Meist scheint dazu noch die Sonne oder die Nacht scheint mild im schwachen Licht. Manchmal treibt die See ihren Spaß mit dir. Dann wirft sie ihre Wellen kreuz und quer und spritzt mit ihrem Wasser nach dir.“ Josef Conrad beschreibt sie an einer anderer Stelle in seinen Geschichten auch anders: „Sie ist brutal, mörderisch, furchterregend. Sie brüllt dich an. Sie stellt haushohe Wellen vor dir auf, die sie dann auf dich wirft. Sie will dich fressen, vernichten. Sie presst dir ihr Wasser in die Augen, in die Nase, in die Ohren.„
Ich für meinen Teil hab, Gott sei Dank, so was noch nicht erlebt. Da such ich mir lieber ein ruhiges Plätzchen, abseits des Schiffsbetriebs. Das Segeln hat dann etwas Meditatives und Monotones. Die See wiegt dich sanft hin und her, rauf und runter, wie die Mutter ihr Baby. Das vorbeiströmende Wasser und der Wind der um die Segel und das „Gebälk“ der Masten und Bäume weht, erzeugen ein angenehmes Geräusch. Tief unten im Schiffsbauch brummt der Generator wie das Om-ah-hum buddistischer Mönche in tiefer meditativer Versenkung. Auf dieses ständige Hintergrundgeräusch muss man absichtlich hinhören, sonst überhört man es. Für die Nase gibt es absolut staubfreie, angefeuchtete, salzhaltige Luft, also das beste was es zum Atmen gibt. Auch für die Augen gibt es was -oder auch nichts, je nach dem. Du blickst aufs Wasser, du blickst auf den Himmel, und siehst eigentlich nichts Besonderes. Das Auge findet keinen Punkt zum Fixieren. Da wendet sich schon mal der Blick nach innen, und als Folge notiert man dann in sein Notizbüchlein so einen schwülstigen Käse wie grad eben diesen.
15.07.2010, 0000 Uhr nachts, meine Wache beginnt. Der Wind kachelt mit 6Bf aus SO. Die See schäumt. Die Nachtluft ist trotzdem klar und angenehm warm. Deutlich sind die Positionslichter der anderen Schiffe und diverse Leuchtfeuer auszumachen. Die „Jonny“ liegt etwas über. Klüver, Baumfock, Schonersegel und Groß sind bereits von der alten Wache optimal auf Am-Wind-Kurs getrimmt worden und pressen jetzt unser Schiff durch die Wellen. Der Stb Anker muss sich wohl in seiner Fixierung etwas gelockert haben, denn er schlägt jedes Mal, wenn die „Jonny“ ihren Bug tief ins Wasser drückt, auf die stählerne Bordwand. Die Crew vorne im Pumakäfig schläft – sicher nicht besonders gut. Gegen 0200 Uhr nimmt der Wind noch mal zu auf etwa 7Bf. Man kann nicht mehr freihändig stehen. Auch im Steuerhaus braucht man immer eine Hand um sich festzuhalten. Die Segel reffen oder ganz zu bergen, ist in der Nacht und mit unserer unerfahrenen Crew zu gefährlich, also prügeln wir die arme „Jonny“ mit über 9kt durch die wütend schäumende Ostsee. Gerd, der Kapitän erscheint von unten hoch aus der Luke, die von seiner Kammer ins Steuerhaus führt, wie Mephisto aus der Unterwelt, in Schlafklamotten, die blonden Haare aufgestellt wie ein Punker, die Stirn besorgt gefaltet. Er sieht sich die aktuellen Windprognosen an, kontrolliert meine Mitschreibung in der Seekarte und meint, wir sollen nicht so weiter prügeln, sondernd anluven, bis der Klüver killt, mehr könne man jetzt nicht machen. Er hat sich natürlich gewählter ausgedrückt. Dann steigt er wieder hinunter in seine Kammer. Also luven wir an, bis die Strömung am Klüver abreißt. Die abströmenden Luftwirbel lassen die dahinterstehenden Segel bollern. Die Geschwindigkeit geht sofort auf 4kt zurück Bei jedem Luftwirbel peitscht der Klüver mit seinen Schoten. Der Anker schlägt immer noch an die Bordwand. Es herrscht ein Riesenlärm mitten in der Nacht, und das auf einem Segelschiff, das ja von Natur aus eher ein leiser „Zeitgenosse“ ist.
Um 0400 Uhr wenden wir wie geplant, gemeinsam mit der aufziehenden Wache. Unsere Wache zieht ab. Kaum war ich ausgezogen und lag in meiner Koje, kommt „All Hands klar zum Bergen des Schonersegels“ Es ist inzwischen hell geworden. Es weht immer noch mit 6Bf. Alle werden wir noch mal genau angewiesen, wie und was wann zu tun ist. Ich Trottel löse statt der Schot für den Gaffelbaum, das Großfall, die beiden liegen ja auch direkt nebeneinander auf der Nagelbank. Das Groß kommt etwa ½ m herunter bis ich meinen Fehler bemerke und es wieder hinauf kurble.
Das niederkommende Gaffelsegel ist bei dem Wind und trotz der Lazy-Jacks nicht leicht zu bändigen. Immer wieder bläst uns „Rasmus“ die sorgfältig gelegten Falten zu Ballons auf. Um 0500 Uhr, endlich in der Koje, falle ich in tiefen Schlaf.
Um 0700 weckt mich der Hunger. Ich bin aber noch viel zu platt zum Aufstehen. Plötzlich ist es überraschend ruhig im Schiff. Die „Jonny“ „motort“ von Norden her in den Öresund. Der Sturm hat sich ausgepufft, es steht aber immer noch ein frischer Südwind über einem lebhaften Seegang Nach dem Frühstück leg ich mich wieder hin, halte es aber nicht lang aus. An Deck ist es viel zu interessant.
Hier im Öresund ist ein Verkehrstrennungsgebiet einzuhalten, das heißt, wir müssen auf dieser „Schiffsautobahn“ schön brav rechts fahren. An Segeln ist nicht zu denken, nicht nur wegen des Gegenwindes. Hier herrscht ein Verkehr, wie daheim auf der Münchener Ostumgehung am Freitagnachmittag. Tanker, deren Bordwand die Höhe unsere Masten überragt, Kreuzfahrtschiffe, Containerschiffe, sie überholen uns als würden wir stehen. Der Öresund trennt das dänische Helsingör und das schwedische Helsingborg. Alle 10 Minuten kreuzen dazwischen gigantische Fähren über den Sund. Wir laufen nachmittags in den Hafen der Hamlet-Stadt Helsingör ein mit seinem berühmten Renaissance Schloss. Eine ruhige Nacht im Hafen tut uns allen gut nach dem „scharfen Ritt“ der letzen Nacht.
16.07.2010, 0900Uhr, wir lösen die Leinen im schönen Helsingör und segeln weiter südwärts durch den sich nun erweiternden Öresund. Das Verkehrstrennungsgebiet liegt hinter uns. Ein gerade noch brauchbarer Wind erlaubt uns unter Vollzeug den vom Captain vorgegebenen Kurs halbwegs zu halten. Ein Holebug zwischendurch wird wohl nötig sein. Zuvor passieren wir noch die Insel Ven. 1015 Uhr, der Steuermann verzichtet auf den Holebug und entscheidet sich für „Dänisch Segeln“. Der zeitraubende Holebug, hätte uns zwar mehr Luvhöhe aber keinen Meter näher an unser Reiseziel gebracht. 1400 Uhr, wir fallen ab, die Segel füllen sich, die Maschine wird abgestellt. Der Flughafen von Kopenhagen liegt direkt in Sichtweite am westlichen Ufer des Öresund. Die landenden Flugzeuge scheinen dicht über unsere Masten zu fliegen. Die berühmte Brücke über den Öresund lassen weit auf Bb liegen, wir queren stattdessen den untertunnelten Teil.
1500Uhr, neuer Kurs: 210° direkt in die Koege Bucht. Kurz vor Koege nehmen wir alle Segel weg und tuchen sie besonders sorgfältig auf. 1600 Uhr, im Hafen von Koege festgemacht. Auf dem Marktplatz nehmen wir noch einen Abendschoppen. Nur noch eine Übernachtung auf unserem Schiff der „Johann Smidt“. Für eine Woche war sie unser Lebensmittelpunkt, unser Zuhause. Die Crew war unsere Familie.
Am Morgen danach putzen wir das Deck, die Kammern, alles wird noch einmal gekehrt und gewischt, alle Leinen werden sauber aufgeschossen, der Müll zum Abholen bereitgelegt. Die Reise ist zu Ende, jedenfalls für einen großen Teil der Crew und für die Schiffsführung.
Am Nachmittag kommt der Bus, der uns zurück nach Hamburg bringt. Mit dem Nachtzug fahren wir wieder zurück nach Ingolstadt. Die „Johann Smidt“ wird mit neuer Crew weiter nach Sassnitz segeln.